Montag, 29. September 2014

UNSER BESITZ IST VERLUST








UNSER BESITZ IST VERLUST


Urne, Fruchtknoten des Mohns -,
oh und die leichten, die roten
Blätter, die ihr unwissender Wind entriß ...
Wie schon die Söhne des Sohns!
Alle sooft überboten,
jeder einzelne Ungewiß.

Und da stürzt sich die Zeit weiter mit ihnen in die Tiefe;
was von den Stürzenden bleibt?
Ein verblichenes Bild und vergilbende Briefe
und in dem, der noch lebt, das was keiner beschreibt.
Jenes unsägliche, das wir unendlich beweinen ...
Nicht wie Gazelle und Reh,
die in dem künftigen Tier heiter wiedererscheinen,
so verläßlich wie eh.

Unser Besitz ist Verlust. Je kühner, je reiner
wir verlieren, je mehr.


(Rainer Maria Rilke)










Foto: Alexander Kästel