Donnerstag, 13. März 2014

Ort maximaler Amplitude






Ort maximaler Amplitude


Manchmal hat man nur den Bauch. Wenn der Bauch mal Mist gemacht hat, kann es sein, dass da eine feine Linie durch den ganzen Magen zieht und die Lunge und das, was so dazwischen ist, ich weiß gar nicht genau, was das ist, aber es ist da, das ist das, was immer weh tut, wenn etwas schief läuft, und das, was oszilliert, wenn etwas richtig ist. Jedenfalls hat man, glaube ich, nur diesen einen Bauch, und der kann sich irren und der kann sich umdrehen und umkehren und verkrampfen und durchdrehen und flüstern und knurren und manchmal, da kann er einfach gar nichts sagen, das passiert nicht oft, also dass er einfach still hält und nichts tut und man selber nachdenken muss.

Aber wenn es passiert, dann ist das meistens ziemlich beängstigend, dann lege ich die Hand auf ihn und mich flach auf den Boden, genau wie diese Hand, ich lege meinen Kopf dazu und die Fersen und die Ballen der Hände und dann sind wir alle auf einer Höhe, und der Rest versucht sich vorzustellen, wie der Bauch sich so fühlt, wenn alles jedes Mal durch ihn hindurch muss, wenn er alles einordnen und zurechtrücken und verdauen und spüren muss, was mit dem Rest passiert. Mitunter kommt der Rest dann zu dem Schluss, dass so ein Bauch einen beschissenen Job hat, den er allerdings meistens ziemlich gut macht, deswegen sollte man sich hin und wieder hinlegen, sich selbst und den Rest und was da so dranhängt, sich hinlegen und schauen, wie der Mond aufgeht, und ganz leise sein und still, und dem Bauch nicht noch mehr Stress machen, er wird schon Bescheid sagen, wenn es gut ist und wieder okay und man aufstehen kann, weil man weiß, das ist so ein bisschen wie Topfschlagen, warm und kalt, das weiß er zu unterscheiden, er braucht nur manchmal einen Moment.

Diese feine Linie, den Riss, den gibt es in allem, den hat nicht nur der eine Bauch, den man hat. Den hat jede Geschichte, jedes Wort, es gibt niemanden, der nicht einmal auf den Kopf oder das Knie gefallen ist, sowas passiert und sowas erschüttert und am Ende ist es eigentlich ganz gut, dass man die Stellen noch erkennen kann, an denen es besonders gehakt hat. Man weiß dann, wo man behutsamer zu sein hat, das sollte eigentlich nie etwas mit Misstrauen zu tun haben, auch beim Bauch nicht. Man hat nur den einen.



(Elisabeth Rank)