Donnerstag, 27. März 2014

Durch das Gewebe Deiner Tage ...







Durch das Gewebe Deiner Tage zieht sich ein Faden, der sie mit dem Überirdischen verbindet. Nicht durch jedes Dasein schlingt sich ein solcher Faden, und jedes Dasein zerfällt ohne diesen. Daß Dein Dasein nicht zerfalle, sondern daß alles ewige Wirklichkeit sei, das ist, wonach ich verlange; [...] heißt das nicht Dich lieben? Und hat die Liebe nicht die Sehnsucht, daß Du ewig sein mögest? [...] – Ja sieh, das ist mein Tagwerk, und was ich anders noch beginne – es muß alles vor Dir weichen. Dir im Verborgnen dienen in meinem Denken, in meinem Treiben, Dir leben, mitten im Gewühl der Menschen oder in der Einsamkeit Dir gleich nahe stehen; eine heilige Richtung zu Dir haben, ungestört, ob Du mich aufnimmst oder verleugnest.


(Bettina von Arnim (1, III.), Goethes Briefwechsel mit einem Kinde)